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vorheriger Bericht zurück zur Liste nächster Bericht19. Oktober 2018
Ikarus fliegt durchs Wiesental
Die über sieben Meter grosse und sieben Tonnen schwere Skulptur ist in der Kunstgalerie Bachlechner angekommen. Das ehemalige Wahrzeichen eines Osttiroler Dorfs ist in die Schweiz geflüchtet, um einen Rechtsstreit zu vermeiden.
Ikarus hat den Weg in die Schweiz gefunden. Das Wachs seiner Flügel ist längst geschmolzen, doch die über sieben Meter hohe Skulptur aus Eisen scheint über dem Garten der Bergdietiker Kunstgalerie Bachlechner zu schweben. Das Kunstwerk ist frisch angekommen im Wiesental, wo Béatrice und Hanns Bachlechner seit zehn Jahren ihre Kunstgalerie betreiben.
Die Skulptur Ikarus, vor 14 Jahren vom österreichischen Künstler Hans-Peter Profunser geschaffen und seit 2006 in Bachlechners Besitz, ist bei weitem das grösste und schwerste Werk des Galeristenpaars. Vor zwei Wochen stand er noch im österreichischen Ausservillgraten, wo die Familie ein Anwesen besitzt. «Ikarus begrüsste am Dorfeingang die Besucher, er war ein schöner Empfang», sagt Hanns Bachlechner. Alle hätten Freude an ihm gehabt, erzählt der 67-Jährige weiter. Bis auf eine Person. Und ausgerechnet diese behauptete, Ikarus liege 20 Zentimeter auf ihrem Grundstück. Um einen Rechtsstreit zu vermeiden, entschied sich Hanns Bachlechner für den Transport der Skulptur. Das Wahrzeichen des Osttiroler Dorfes flüchtete per Lastwagen nun in die Schweiz.
Die Gründe für Ikarus’ Einzug in die Schweiz hinterliessen einen bitteren Nachgeschmack beim Galeristen. Immerhin redet Hanns Bachlechner über einen Traum, der wahr wurde. «Die Schweiz gibt mir viel mehr als Österreich, ich wohne hier und kenne mich bestens aus. Ich freue mich, dass Ikarus bei uns ist», sagt der Bergdietiker.
Ikarus bereitet in der neuen Heimat Freude, erregt Aufmerksamkeit und beflügelt den Gedankenaustausch. Die Eltern in der Nachbarschaft erzählen seinen Mythos ihren Kindern, Bewohner verlangsamen ihren Marsch, um ihn zu bestaunen. Vor allem besitzt die Skulptur die bedeutendste Eigenschaft eines Kunstwerks: Sie inspiriert. «Gerade heute Morgen blickte ich aus dem Fenster und sah den braunen Ikarus vor den goldgelben Eichenblättern», schildert Béatrice Bachlechner. Dieser Augenblick habe ihr neue Kraft verliehen, sagt die 65-Jährige. «Ikarus gehört hierhin nach Bergdietikon – als wäre er dafür gemacht worden, um durch das Wiesental der Reppisch entlangzufliegen.»
Limmattaler Zeitung vom 19. Oktober 2018 (Clara Dos Santos Buser)
Béatrice und Hanns Bachlechner vor der über sieben Meter hohen Skulptur.